Überall liest man, dass das Potenzial zur Veränderung und damit einhergehenden Verbesserung von Prozessen durch die Digitalisierung sehr groß ist. Reduktion von Ressourcen, schnellere Datenverarbeitung, geringere Fehlerquote - warum also noch zögern? Die Argumente sprechen dafür!
Schnell sind neue Tools eingeführt und die Erwartungen sind groß, dass nun alles schneller und besser wird. Doch genau hier liegt der Haken. Denn diese einseitige Betrachtung der Prozessautomatisierung ist zu kurz gedacht. Zur Automatisierung von Basisprozessen im Finance-Bereich gehört weit mehr als die Implementierung von Soft- und Hardware.
Den bestehenden Prozess 1:1 zu digitalisieren bringt meist nichts. Es wird quasi an einem Symptom gearbeitet, um gefühlt besser (=schneller) zu werden. Dabei darf aber nicht nur ein einzelner Prozessschritt betrachtet werden, sondern immer der gesamte Prozess End-to-End. Der Purchase-to-Pay Prozess ist auch kein rein buchhalterischer Prozess, sondern fängt im strategischen Einkauf bereits an und hört mit der Zahlung an den Lieferanten auf. Um diesen Prozess zu optimieren, reicht es z.B. nicht aus, den Zahllauf zu automatisieren. Das Stammdatenmanagement muss klar geregelt sein, die Stammdatenstruktur muss konzernweit festgelegt und harmonisiert sein und der Freigabeprozess einer Bestellung muss standardisiert erfolgen. Erst dann ist überhaupt eine Automatisierung des Prozesses möglich.
Prozess-Transparenz als Schlüssel zur Optimierung
In der Vergangenheit wurden umfangreiche Prozesserhebungen und Experten-Workshops veranstaltet, um die notwendige Transparenz herzustellen. Das Ergebnis war meist ernüchternd, da niemals alle Varianten durch die Mitarbeiter verschiedener Standorte erhoben werden konnten. Inzwischen gibt es Tools, die einen bei der Prozessaufnahme und -visualisierung unterstützen: Process Mining. Die Technologie des Process Mining macht es möglich, die Transparenz einfacher und vor allem vollständig herzustellen. Die Idee dieser Technologie ist, dass alle IT-gestützten Prozesse digitale Fußspuren in den Systemen hinterlassen. Diese Informationen sind aufzubereiten und zu visualisieren, so dass sie für die Diskussion in einen Zusammenhang gebracht werden können. Dadurch entsteht eine nahezu vollständige Transparenz über alle Prozessschritte inklusive der systemseitig genutzten Module und Transaktionen.
Standardisierung der Finanzprozesse
Die Industrialisierung hat es uns vorgemacht: erst die Standardisierung und Harmonisierung hebt Effizienz-Potentiale! Warum also sollte das nicht auch in der Buchhaltung oder im Controlling funktionieren? Warum wird das Rad in jeder Einzelgesellschaft neu erfunden und jede Ausnahme als doch so wichtig erachtet? Prozesse werden nur automatisierbar sein, wenn vor- und nachgelagerte Prozessschritte standardisiert erfolgen.
Auf Basis der im vorherigen Schritt gewonnen Transparenz muss ein konzernweiter Standard definiert werden. Entweder durch den Abgleich mit branchenüblichen Best-Practice-Prozessen, oder durch kaufmännisch logisches Nachdenken. Nur wenn Sie dabei die fachlichen Herausforderungen eines Prozesses sowie die technischen Möglichkeiten einer Automatisierung kennen, können Sie die Potentiale aufdecken. Häufig liegen diese Potentiale in einer Reorganisation des Prozesses oder einer konsequenteren Nutzung der bestehenden Systeme. Unabhängig von dem Lösungsansatz ist eine Standardisierung vor- und nachgelagerter Prozessschritte der Schlüssel zum Erfolg. Zum Beispiel können Sie ohne ein standardisiertes Stammdatenmanagement die wenigsten Prozesse optimieren, da sie stets Abstimmschleifen und Schnittstellenprobleme haben werden. Daher müssen die Potentiale stets End-to-End analysiert werden und nicht nur auf einen einzelnen Prozessschritt bezogen sein.
Zur weiteren Optimierung des Prozesses sollten dann einzelne Prozessschritte analysiert werden, ob sie
- Überflüssig,
- Ineffizient, oder
- Automatisierbar sind.
Viele der Prozesse können über die vorhandenen Systeme und Bordmittel automatisiert werden, sobald sie standardisiert sind. Am Beispiel des Purchase-to-Pay Prozesses haben wir dieses Vorgehen illustriert (link)
RPA (robotic process automation) als Notnagel
Der Einsatz von Robotern sollte erst als letzte Option gewählt werden. Immer dann, wenn selbst durch die Optimierung des Prozessablaufes mit den vorhandenen Systemen der Prozess nicht effizienter gestaltet werden kann, sollte über RPA nachgedacht werden. Der Roboter führt dabei automatisiert die Schritte aus, die der Mensch selbst auch machen würde. Nur eben 24/7/365 und vermutlich ein wenig schneller.
Ein Roboter ist unter folgenden Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zur Prozessoptimierung:
- Daten sind auf unterschiedlichen IT-Systemen vorhanden
- Mensch als Schnittstelle zwischen den IT-Systemen
- Automatisierung traditioneller IT-Systeme (ERP) führt zu komplexen Implementierungen & hohen Kosten
- Manuelle Ausführung zahlreicher repetitiver & regelbasierter Aufgaben
RPA wird derzeit am häufigsten in der Finanzabteilung sowie in der HR-Abteilung eingesetzt. RPA kann man sich dabei als ein applikationsübergreifendes Makro vorstellen. E-Mail öffnen, Excel-Anhang öffnen, Daten auslesen, SAP-Transaktion öffnen, Daten eintragen, Buchung speichern, Excel und SAP schließen. Es ist unschwer zu erkennen, dass der Prozess an sich durch RPA nicht besser wird; er wird nur automatisiert durchgeführt. Man kann daher sagen, dass RPA sich immer dann anbietet, wenn ein Prozess eben nicht voll automatisiert im ERP-System durchgeführt werden kann. Daher sollte dies bei der Prozessoptimierung nicht als erstes, sondern als letztes Hilfsmittel herangezogen werden.
Wir helfen Ihnen dabei herauszufinden, welches Automatisierungspotenzial Ihre Prozesse im Finanzbereich haben und wie Sie das Projekt Prozessautomatisierung erfolgreich umsetzen können.